Textportrait

In meinem Berufsleben bin ich eine ganzheitlich ausgerichtete Therapeutin, die viele unterschiedliche Aspekte von Therapie jonglieren kann. Ich habe eine breite Palette an Fähigkeiten. Die Ergotherapie schließt die ganze Bandbreite des Themas Wahrnehmung ein, es ist ein medizinisch ausgerichteter Hintergrund in Kombination mit der psychischen Entsprechung. Körperliche Beschwerden haben psychische Auswirkungen, aber auch psychische Beschwerden haben körperliche Auswirkungen. Ich kann das von unterschiedlichen Seiten aus betrachten und bearbeiten.

Im psychischen Bereich der Therapie sind es zum Beispiel die Facetten aller Lebenskrisen. Dabei lässt sich viel erreichen mit der Hilfe von Achtsamkeitstraining, Neuorientierung im Denken, Denkdisziplin oder das alles in Kombination mit der Tiergestützten Therapie. Die Tiergestützte Therapie ist eine zentrale Ausrichtung meiner Arbeit, man kann sagen, sie ist der Ausgangspunkt. Dabei kann ich zum Beispiel das Verhalten und die Lernmöglichkeiten von Mensch und Hund vergleichen und übertragen, denn alle Säugetiere haben ganz ähnliche Lernaspekte. Ich nutze meine Hunde gern als Beispiele, als Entspannungstechnik, ich nutze meine Hunde auch zum gezielten Training.

Vom Säugling bis ins hohe Alter

Ich behandle in meiner Praxis alle Altersgruppen. Das reicht vom Säugling mit Wahrnehmungsstörungen bis zum alten Menschen, der Schwierigkeiten hat mit der Alltagsbewältigung oder mit Erinnerungen. Bei einem Säugling kann es zum Beispiel darum gehen, dass die Mutter verzweifelt ist, weil er sich nicht richtig anfassen lässt. Wenn ich ihr das erklären kann und Tipps gebe, kann sie eine andere Beziehung zu ihrem Kind aufbauen und umgekehrt. Bei der Diagnose und der Behandlung treffe ich folgende Entscheidungen: Geht es um eine Wahrnehmungsproblematik, an der man arbeiten kann? Vielleicht geht es auch vorübergehend um eine psychische Problematik, um eine Einschätzungsproblematik, um ein Umdenken der Eltern? Dann stellt sich die Frage, ob ich mit dem Kind arbeite oder ob ich die Eltern coache. Vielleicht müssen sie selbstsicherer in ihrer Eltern- und damit Chefrolle werden. Oder ist es wichtig beides zu machen, was braucht wer?

Im Moment habe ich ein Kind im Alter von acht Jahren, das Angst vor Bakterien hat. Diese schwer greifbaren Ängste können möglicherweise ein Ausdruck von Hochsensibilität sein. Das Kind wird, wenn es gestresst ist oder reizüberflutet, nicht gerne angefasst. Und dann ist diese Bakterienangst eine Möglichkeit, um es sich und anderen zu erklären. Wie soll das Kind sein Bedürfnis sonst ausdrücken? Das ist für ein Kind schwierig. In diesem Fall geht es in meiner Therapie für Eltern und Kind um Erklärungen, um Umdeutung und Suchen nach Lösungs- und Verhandlungsmöglichkeiten. Und natürlich auch darum zu schauen, ob es noch andere Wahrnehmungsbereiche gibt, die einer Unterstützung in der Regulation bedürfen, damit das Kind seine Fähigkeiten entwickeln kann.

Dann begleite eine alte Dame. Sie hat zum Beispiel Angst, wenn sie mit Angehörigen auf die Bank geht. Da sie die finanzielle Lage der Angehörigen kennt, glaubt sie nicht ganz frei über ihr Geld entscheiden zu können, das ist für sie ein sehr unangenehmes Gefühl. Wenn ich die alte Dame begleite, kommt sie aus dem Haus, wir machen eine Unternehmung und unterwegs bespricht sie mit mir die Dinge, die sie beschäftigen. Vielleicht benötigt sie Hilfe in ihrem Garten oder ich fahre mit ihr gemeinsam mit dem Rad eine neue Strecke. Vielleicht braucht sie überhaupt jemanden zum Sprechen über ihre Alltagsanliegen, denn dafür ist niemand da in der Familie, sie ist sehr allein. Dann kann man sagen, das ist auch eine Form des Gedächtnistrainings und des Achtsamkeitstrainings. Wie gehe ich mit mir im Alltag um? Sie erzählt mir, im Alter ist alles schlecht, nichts geht mehr. Dann kann ich sie fragen, was ist denn gut? Sie zu fragen, wie geht es Ihnen, wenn Sie positiv denken, wie geht es Ihnen, wenn Sie negativ denken? Und allein das macht auf längere Sicht auch bei alten Menschen eine Veränderung und eine andere Lebensqualität aus. Es hat viel mit Lebensqualität und Teilhabe zu tun.

Ich unterstütze die Menschen dabei, ihre Wahrnehmungssysteme zu regulieren und achte dabei darauf, wie sich das psychisch auswirkt oder umgekehrt. Und genau das macht mir Spaß an meiner Arbeit, dass ich das kombinieren kann mit all den Mitteln, die ich gelernt habe.

Praktische Anwendung im Zentrum

Der Ausgangspunkt meiner Behandlung ist die Diagnose. Diese beinhaltet im ergotherapeutischen Bereich zum einen Wahrnehmungs-Funktionen, aber auch Wahrnehmungs-Sensibilitäten vom Körper einzuschätzen, zu diagnostizieren und deren psychische Auswirkungen abzufragen. Es gibt zum Beispiel diesen nicht genau umgrenzten Formenkreis von AD(H)S und/oder Hochsensibilität bis hin zu Autismus –Spektrum – Störungen. Diese Bandbreite kann ich mit meinen Mitteln recht gut unterscheiden. Ich kann aber auch Menschen in sämtlichen Formen von Lebenskrisen unterstützen. Das können Paarproblematiken sein, binationale Partnerschaften, das kenne ich aus eigener Erfahrung, Trauerbegleitung, Burnout und Erschöpfungszustände oder Probleme am Arbeitsplatz. Es können auch Coachingsituationen sein, in denen es darum geht Konflikte anzuschauen in einer Gruppe von Leuten, die im Team arbeiten.

Mit Menschen, die sich in Krisen sich befinden, mache ich häufig Achtsamkeitstraining. Zuerst ist es wichtig zu erkennen: Wie gehe ich mit mir im Alltag um? Und dann anhand von praktischen Tipps: Wie kann ich mit mir im Alltag achtsamer umgehen? Das dürfen keine Dinge sein, die nicht umsetzbar sind. Fast alle meine Patienten sagen, dass ich brauchbare Tipps gebe, die sie gut anwenden können. Die ihnen auch noch nach eineinhalb Jahren einfallen und womit sie sich wieder auf einen besseren Stand bringen können, in der Regulation im eigenen Leben, wenn ihnen der Faden verloren gegangen ist.

Ich greife auf meine eigenen Erfahrungen zurück und auf meine vielen Aus- und Fortbildungen. Anhand meiner eigenen Erfahrungen kann ich praktische Beispiele geben und gleichzeitig meinen Klienten die Idee geben, dass auch Therapeuten Menschen sind. Auch Therapeuten können nicht alles, sondern sie wenden die Methoden, die sie weitergeben, auch für sich selbst an und machen damit Erfahrungen. Wobei ich natürlich keine eigenen Problem-Erlebnisse weitergebe, die aktuell noch nicht abgeschlossen sind.

Umwege als Rundwege

Ich habe viele Umwege gesucht. Umwege erhöhen die Ortskenntnis, das finde ich einen sehr wichtigen Satz. Ich habe in meinem Leben immer Lösungswege gesucht, von klein auf, als ich in meinem Lieblingsbaum vor dem Haus saß und den Baum gefragt habe, wie Feuer, Wasser, Erde, Luft zusammenhängen und interessanterweise Antworten bekommen habe, woher auch immer. Dabei habe ich jedes Element in Zusammenhang erlebt mit einem anderen. Bringe ich Feuer mit Luft zusammen, wird es größer. Bringe ich Feuer mit Wasser zusammen, wird es kleiner. Bringe ich Feuer mit Erde zusammen, wird es auch kleiner. Im Gegenzug wird die Luft warm, das Wasser und die Erde auch. Was ist mit Erde und Wasser? Das Wasser schwemmt die Erde weg, aber die Erde würde ohne das Wasser keine Frucht hervorbringen können. Und das Wasser verteilt die Erde. Und so weiter. Es ist mir bis heute geblieben, dass mich diese Zusammenhänge interessieren. Ich bin sehr interessiert daran Dinge zu verstehen. Ich finde das Universum ungeheuerlich spannend und finde es bedauerlich, dass die meisten Menschen die Wunder der Erde nicht wahrnehmen und genießen. Dabei könnten wir alle ständig demütig staunend durch den Tag gehen.

Die Suche nach Lösungswegen beinhaltet auch ungewöhnliche Wege. Flucht oder Angriff sind zwei Variationen unseres Affekt-Systems und beide habe ich immer versucht als Lösungsidee zu nutzen. Wenn man sich bedroht fühlt in einer Situation und nicht angreifen will, schlägt man, von Fluchtgedanken ergriffen, einen sich auftuenden Weg ein. Nach einer gewissen Zeit, wenn das Adrenalin runtergegangen ist, stellt man dann fest, dass dieser Weg doch nicht so der Wahre ist. Dann kann man ihn natürlich zurückgehen, das ist aber sehr langweilig. Man kann als Alternative versuchen, einen ähnlichen in die Rückrichtung gehenden Weg zu finden. Und damit hat man dann tatsächlich eine höhere Ortskenntnis. Denn auf diesem Rundweg sieht man wieder neue Dinge. Das mache ich auch im Wald auf den Spaziergängen mit meinen Hunden.

Vielleicht ist die wichtigste Erkenntnis all meiner Umwege, dass Akzeptieren und Bleiben oftmals eine ganz hilfreiche Sache ist, bis man weiß, was man wirklich möchte.

Ich lebe mein Leben

Es gibt zwei Sätze in meinem Leben, die mich sehr berührt haben. Das eine ist das Lebensmotto meines Vaters, das hat mich vielleicht auch inspiriert „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich durch die Dinge ziehen. Den letzten werde ich vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn“, von Rainer Maria Rilke.

Das bedeutet für mich, dass ich die Veränderungen des Lebens annehme, die sich auf meinem Weg zeigen. Ich bin willens zu lernen und zu wachsen. Dabei hilft mir, dass ich ein Mensch mit viel Heiterkeit bin. Auch wenn ich mich in schwierigen Phasen in meinem Leben schon mal frage: „Wo ist sie eigentlich?“
Also wenn sie nicht da ist, meine Heiterkeit, dann fehlt mir etwas. Heiterkeit kann sich in schwierigen Situationen in Galgenhumor verwandeln, was auch hilfreich sein kann.
Für mich sind meine heiteren Einfälle im Leben oftmals die Hilfreichsten. Dadurch wird das ganze Leben spielerischer, oder wie Friedrich Schiller gesagt hat: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Wenn mir jemand etwas erzählt, habe ich häufig ein Bild vor Augen, das vielleicht etwas slapstickhaft ist. Dadurch wird vielleicht auch die Arbeit in den Therapien leichter, weil mir oft skurrile Dinge zu schweren Themen einfallen. Das sind bildhafte Dinge, die ich formuliere, die geben den Leuten nochmal einen anderen Blickwinkel auf ihre Probleme und eine Art „Erinnerer“. An einem Bild kann man sich Dinge oft leichter merken.

Hierzu passt der Satz von Hermann Hesse, auch ein Lebensmotto von mir:

„Heiterkeit ist weder Selbstgefälligkeit noch Tändelei, sie ist höchste Erkenntnis und Liebe, Wachsein am Rande aller Tiefen und Abgründe. Sie ist das Geheimnis des Schönen und die eigentliche Substanz jeder Kunst.“

Heben der inneren Schätze

Mein Berufsleben ist meine sichere Seite. Als Kind wollte ich Ärztin werden, dieser Wunsch war ganz früh da. Ich habe mich von Klein auf mit dem, was ich ursprünglich wollte, sicher gefühlt. Über diesen Berufswunsch fand ich zur Ergotherapie und diese Therapieform hat mich deshalb so fasziniert, weil man sich an den Ressourcen der Menschen orientiert. Man arbeitet mit den Patienten an ihren Ressourcen, hebt also deren innere Schätze, und behandelt nicht ihre Störungen. Bei einer krankengymnastischen Übung hat der Patient schon im Vorfeld Angst diese zu machen, weil er sich vor den Schmerzen fürchtet. Im Bereich der Ergotherapie kann ich zum Beispiel einen Webrahmen nehmen mit einem entsprechend adaptierten Webschiffchen und der Patient freut sich auf seinen netten, schönen Teppich und macht nebenbei die gleichen Übungen. Diese Art von Arbeiten hat mich immer angesprochen. Und das ist letztlich das, was ich in allen Bereichen mache. Ich schaue, wo sind die Ressourcen des jeweiligen Menschen. Ob es Kinder sind, Eltern, junge oder alte Leute. Ich versuche nicht, jemand etwas aufzuzwingen, sondern ihm seine Gaben und Fähigkeiten bewusst zu machen.

Die Ergotherapie verbindet das Medizinische mit dem Künstlerischen und mit der Variationsbreite der Methodik. Seitdem mir bewusst wurde, das ist mein Ding, hatte ich nie in meinem Berufsleben Zweifel. Die Systemische Therapie hat mir dann die Ergänzung für das Verständnis und den ressourcenorientierten Umgang mit den psychischen Problematiken der Menschen gegeben. Manchmal bedauere ich es lediglich, dass ich nicht noch mehr Zeit mit Fortbildungen verbringen kann. Denn das, was man in Fortbildungen lernt, muss man auch an Klienten anwenden, man benötigt einen Übungseffekt. Doch ich finde Lernen toll, das ist noch nicht ausgeschöpft. Nach der Hypnose-Ausbildung mache ich im nächsten Jahr eine Eye Movement Work-Trauma-Ausbildung mit EMI, EMDR, Brainspotting, CRM & NLP.

Beruflich habe ich eigentlich keine besonderen Zweifel oder Ängste. Lediglich beim Wechsel des Wohnorts gibt es in mir eine Angst, dass es zu lange dauert, bis wieder genügend Klienten da sind und dass das existenzgefährdend sein könnte. Doch ich habe immer die Sicherheit gehabt, wenn Klienten da sind, werde ich weiterempfohlen. Ich bin gut in meinem Beruf, da gibt es keine Zweifel. Im Privaten ist das anders.

Unterstützung des Beziehungs-Geflechts

Ich bin stolz, dass ich es geschafft habe, mir eine solche Bandbreite an Wissen und Fähigkeiten anzueignen. Damit kann ich möglichst vielen Menschen helfen, die zu mir kommen. Das hat mich früher gestört, dass ich mit meinen Methoden oder Fähigkeiten an Grenzen gestoßen bin und bemerkte, da hätte ich jetzt gerne jemand, der die Eltern unterstützt oder der Hilfe in der Lebenskrise anbietet oder zu diesem Thema mehr sagen kann.

Aus diesem Grund habe ich die systemischen Ausbildungen gemacht. Damit kann ich mit einem Blick auf ein größeres System helfen. Dem Familiensystem, Arbeitssystem oder Paarsystem zum Beispiel. Wir leben ja nicht alleine nach unseren eigenen Vorstellungen, jeder von uns hat Werte, Ideen, Regeln und Meinungen aus seiner Herkunftssfamilie in sich, die er vielleicht nie hinterfragt hat. Manche Regeln kommen aus Zeiten von Krieg und Verfolgung und sind vielleicht völlig überholt, hindern einen Menschen aber unbewusst an einem glücklichen Leben. Wenn ich einen Menschen da habe, möchte ich auch den Blick aufs System miteinbeziehen und dadurch hilfreich sein können. Das heißt nicht, dass ich drei verschiedene Leute aus dem System behandeln muss oder kann, das wäre eine Überforderung für mich. Aber ich kann Unterstützung geben, wie man mit bestimmten Dingen umgehen kann. Oder ich kann entscheiden, dass es gut wäre, wenn das Kind zu einem anderen Ergotherapeuten geht für die Wahrnehmung und ich schaue auf die Eltern oder die Paarproblematik. Und darauf bin ich stolz, das wollte ich immer. Ich schicke ungern Leute weg, in eine ungewisse Zukunft. Wenn ich jemanden habe, den ich empfehlen kann, mache ich es gerne. Aber wenn ich meinem Klienten sagen muss: „Ich weiß auch nicht, müssen Sie mal selbst schauen“, das ist unbefriedigend.

Mein wichtigstes Anliegen für meine Patienten ist Hilfe zur Selbsthilfe. Ich möchte meinen Klienten vermitteln, dass sie in jedem Moment ihres Lebens völlig in Ordnung sind und Lösungen in sich tragen. Sie dürfen sich Hilfe holen, um der Lösung auf die Spur zu kommen. Dennoch ist es mir wichtig, dass meine Klienten nicht die Idee haben, sie können ohne mich nicht leben. Sie können vielleicht dankbar sein, dass sie mich getroffen haben, weil sie dadurch auf eine schnelle Art und Weise zu ihrer Kompetenz kommen. Doch ich möchte die Leute so kurz wie möglich und nur so lange wie nötig bei mir haben. Sie können ja einen weiteren Termin vereinbaren, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder Unterstützung brauchen.

Verletzung im Sein

Ich möchte auch weiterhin meine berufliche Vielfalt leben und noch mehr unterschiedliche Bevölkerungsschichten unterstützen. Im Moment kommen überwiegend Klienten zu mir, die nicht die Möglichkeiten haben, sich das selbst zu finanzieren. Ich würde gerne auch mehr Leute unterstützen, die Selbstzahler sind. Vielleicht kommen diese Menschen noch nicht zu mir, weil ich nicht die passende Werbung gemacht habe. Vielleicht hat das aber auch mit einem alten Persönlichkeitsanteil von mir zu tun, dem Gefühl, dass es nicht reicht. Als ob es nicht genug ist, was ich kann. Und das ist absurd. Es gibt eine Schere zwischen – ich bin mir dessen bewusst, was ich kann – und einer Selbstverständlichkeit, das auch zu leben. Das rührt meines Erachtens daher, dass ich im „Sein“ verletzt bin. Das mag daher kommen, dass ich ein Kind bin von Eltern, die durch den Krieg traumatisiert wurden. Meine Eltern sind Erwachsene im Krieg gewesen, meine Oma hat sogar zwei Weltkriege erleben müssen. Daher würde ich sagen, ich bin im Sein verletzt.

Ein wesentlicher Aspekt Ärztin oder Therapeutin werden zu wollen, war für mich der Wunsch zu verstehen, warum in meiner Kindheit für mich so viel Schwere und Unglücksempfinden war bei gleichzeitig so viel Freiraum und Liebe. Diese Diskrepanz zu verstehen, war mir immer ein Anliegen. Und heute würde sagen, ich verstehe es. Wir sind die Erben zweier Weltkriege und der Krieg hat lange Arme. Trauma fängt lange an, bevor eine Handgreiflichkeit stattfindet. Wenn jemand traumatisiert ist, wird er es auch weitergeben, das ist wissenschaftlich erwiesen. Die Gene verändern sich durch ein erlebtes Trauma. Ich würde sagen, ich habe in mir eine Verletzung im Sein, wie viele in unserer Gesellschaft. Und das kann man nicht einfach stabilisieren durch Können. Sein ist Sein und Können ist Können. Bin ich mit meinem Fokus auf Können ausgerichtet, dann weiß ich, dass ich viel kann und gut bin. Wenn ich aber gerade in meinem Sein herumlaufe, empfinde ich mein Sein vielleicht als nicht genug. Und möglicherweise fehlt mir dadurch manchmal auch ein Selbstvertrauen in der energetischen Suche im Außen.

Übereinstimmende Kommunikation

Vielleicht ist das auch der Ausgangspunkt für die Tiergestützte Therapie, die für mich so zentral ist. Als Kind habe ich nicht viel Vertrauen in Menschen gehabt. Vielleicht wegen der kriegstraumatisierten Eltern, bei denen oftmals das Gleiche sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen konnte. Tiere dagegen haben mir immer eine klare Rückmeldung gegeben. Ich habe mich später mit Menschen beschäftigt, aber angefangen hat es mit Tieren. Die habe ich leichter einschätzen können.

Ich glaube, dass es heute für viele Menschen eine Bereicherung wäre, wenn sie mehr Kontakt zu Tieren hätten. Tiere sind leichter einschätzbar als Menschen und leichter lesbar, wenn man es wieder lernt. Dieses Können ist vielen Menschen verloren gegangen. Sonst würden wir nicht so lebensunwürdige Verhältnisse für tierische Nahrung haben. Dabei ist der Umgang und das Verstehen von Tieren eine Ursprache. Wir haben immer mit Tieren gelebt, wir haben immer mit unserer bewegten Mitwelt Kontakt gehabt und konnten diese lesen. Wenn das verloren geht, geht eine Lebensgrundlage verloren auf diesem Planeten.

Sehr viele Menschen können Tiere heutzutage nicht mehr lesen. Bei mir war es umgekehrt, ich konnte immer Tiere lesen und habe es erst lernen müssen mit den Menschen. Diese authentische Kommunikation, die den Tieren zu eigen ist, die haben wir Menschen auch. Das ist unsere Körpersprache, unsere Stimme, unsere Haltung, die wir einnehmen. Und wenn unsere Körpersprache nicht mit den Worten, mit der Stimmlage übereinstimmt, dann ist das irritierend, jeder kennt das. Doch so eine übereinstimmende Kommunikation, das verstehen wir oft gar nicht mehr, auch im Miteinander. Das nimmt unser Gehirn vielleicht noch wahr, aber wir haben keinen bewussten Zugang mehr dazu.

Genau das ist ein wichtiges Thema bei meiner Arbeit. Mit der Hilfe des Achtsamkeitstrainings kann man wieder zurückkommen zum „Ich nehme mich wahr“ und „Ich nehme andere wahr“. Doch ich muss zuerst einmal mich selbst wahrnehmen. Und da können Menschen sehr kompliziert sein, denn die können einem ja ein X für ein U vormachen. Wenn Tiere nicht komplett gestört sind, dann machen die dir kein X für ein U vor. Wenn mein Hund keine Lust hat auf ein Leckerli, dann spuckt er es mir vor die Füße, auch wenn ich es für die therapeutische Arbeit besser fände, wenn er es fressen würde. Macht er aber nicht. Jeder versteht, wenn ein Hund ankommt, dass er es so meint. Und wenn der Hund keine Lust hat, dann knurrt er auch mal. Dann gibt es einen Grund dafür, weil er nicht gestört werden will, oder weil er auf einem Leckerli sitzt. Das Einschätzen von Menschen ist schwieriger. Ein Mensch kann zu einem anderen sagen: „Schön dass du da warst!“. Kaum ist die Tür zu, sagt er: „Gott sei Dank ist der weg.“ Und derjenige, der geht sagt sich, ich weiß gar nicht, warum ich mich jetzt so unwohl fühle, das war doch ganz nett?

Wahrhaftigkeit im Umgang

Virginia Satir hat gesagt, kongruentes, authentisches Verhalten schafft stabile Beziehungen. Und das ist, was mit Tieren leicht möglich ist. Die meinen es immer so. Und wenn man mit Menschen auch kongruent ist, geht das ebenfalls. Das ist eine Maxime meiner Arbeit, dass ich mich ständig darum bemühe mit allen meinen Klienten kongruent, authentisch umzugehen. Wenn ein Klient Vorstellungen hat, die nicht mit meinen Grundsätzen übereinstimmen, dann arbeite ich nicht für ihn. Vielleicht will er, dass ich ihn „unter Druck setze“, damit er sich bewegt. Doch das ist nicht meine Vorgehensweise. In so einem Fall lehne ich eine Zusammenarbeit ab. Diese Ehrlichkeit zu leben ist mir wichtig.

Wenn ich mit einem Klienten arbeite, sage ich es ihm auch, wenn ich eine private Irritation habe, die nichts mit ihm zu tun hat. Denn der Klient spürt es sofort, wenn ich schlapper, belasteter bin oder anders wirke, als sonst. Daher sage ich es ihm im Vorfeld, damit der Klient nicht denkt, es hängt mit ihm zusammen. Und ich kann klar ausdrücken, dass ich mich bewusst dafür entschieden habe, dass ich trotz der privaten Irritation für ihn arbeiten kann, dass ich genügend Potential und Kraft mitbringe für meine Arbeit. Diese Kongruenz zu haben und auszudrücken, das schafft stabile Beziehungen. Ich höre tatsächlich oft von meinen Klienten, dass sie sagen, bei Ihnen weiß man, wo man dran ist. Es ist echt.

In meiner Arbeit geht es um Wahrhaftigkeit. Darum, dass ich das lebe, was ich gerade bin. Dafür muss ich erst mal selbst wissen, wer ich bin, wie geht’s mir heute eigentlich? Es gibt ja immer diese Umgangsformen, zum Beispiel mit Geschäftspartnern. Sicher will ich denen nicht erzählen, dass ich mich heute Morgen mit meinem Mann gestritten habe. Aber dennoch kann ich für mich selbst entscheiden, dass ich wahrhaftig sein möchte. Und wenn ich einmal eine Notlüge gebrauche, tue ich das bewusst und nehme es wahr.

Das ist etwas, das ich auch auf der Grundlage meiner Tiergestützten Therapie transportieren will. Wahrhaftigkeit ist das zentrale Anliegen im Umgang mit Tieren und mit Menschen. Es ist erwiesen, dass weniger die guten Methoden, das sind höchstens 15 Prozent, als vielmehr eine Vielzahl von anderen Aspekten zur Wirksamkeit einer Therapie beitragen. Wie motiviert ist der Klient eine Veränderung in seinem Leben zuzulassen? Wie ist die Erwartung von Klient und Therapeut, was die Veränderungsmotivation angeht? Wie ist das Umfeld des Klienten? Und nicht zuletzt entscheidend ist die Atmosphäre, das Miteinander und das Wohlfühlmoment zwischen Klient und Therapeut.

Interview, Bilder und Text von Stefanie Erdrich
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