Selbstaktivität

Therapie mit Hund: Selbstaktivität

Therapie mit Hund - Selbstaktivität

Nach der Kontaktaufnahme entsteht automatisch bei den meisten Klienten das Bedürfnis, mit dem Hund zu spielen. Im Unterschied zu jedem Spielzeug oder Werkmaterial ist der Hund aktiv und fordert eine Reaktion. Das Interesse am Spiel flaut beim Hund bei geringer Motivation ebenso ab wie beim Menschen, das heißt der Hund ändert sein Verhalten in Relation zum Verhalten des Menschen.

Ein Hund, besonders aber ein Therapiebegleithund, der dahin gehend geschult wird, passt sich besonders an. Wird er nicht angesprochen oder auf sein Erscheinen hin gestreichelt, dann zieht er sich auf seine Ruheplätze zurück. Wird er gestreichelt, lässt er dies gerne zu und dreht sich oft genüsslich nach allen Seiten. Wird ein Spielzeug geworfen und er aufgefordert, läuft er hin. Das Spielen mit dem Hund erfordert ein hohes Maß an Motivation, Vorstellungskraft, Umsetzungsvermögen und Aktivität.

Ein Hund spielt mit dem Ball, Seil oder Stofftier nur dann gerne, wenn das Spielzeug sich wie Beute verhält. Was ist Beute? Die Menschen, die mit dem Hund spielen, müssen sich zuerst vorstellen, welche Beute ein ehemaliger Wolf bevorzugt. Meist sich schnell bewegende, vor dem „Wolf“ fliehende Tiere z. B. Kaninchen, Mäuse, Vögel etc. Der nächste Schritt ist die schnelle Bewegung der Beute mit Hand, Arm und Ganzkörperbewegungen nachzuahmen bis hin zur großräumigen Flucht der Beute, das heißt das Beutespielzeug wird weit weg vom Hund geworfen.

Therapie mit Hund: Selbstaktivität

Therapie mit Hund: Selbstaktivität

All dies erfordert eine hohe Koordinationsleistung:

  • den Hund im Blick haben
  • seine Reaktion wahrnehmen, einschätzen und darauf reagieren
  • in schnellen Bewegungsabfolgen die Beute über den Boden hüpfen lassen bei gleichzeitigem Ortswechsel
  • das Spielzeug schnell verstecken und wieder hervorholen (hinter dem Bein, Rücken, etc.), was Körperschema und räumliche Wahrnehmung erfordert – zielgerichtetes Werfen ohne den Hund zu treffen, obwohl dieser gleichzeitig im Blick bleiben muss

Rennt der Hund dann zur Beute, muss der Spielende in seiner Rollenvorstellung sofort umschalten auf den „Mitwolf“, der dem anderen „Wolf“ die Beute streitig macht. Auch darin gibt es Variationen:

  • dem Hund hinterher rennen und die Beute zu fangen versuchen
  • die Beute festhalten und zerren
  • gegenseitiges Belauern und blitzschnelles Packen der Beute

Zudem sind noch weitere Anforderungen zu erwähnen, wie etwa das Erklären der Spielregeln:

  • Das Seil oder den Ball in eine vom Hund sehbare Richtung werfen und die erlernten Kommandos merken wie: „nimm“ – „bring“ – „gib“ – „aus“ – „nein“ – „hier“ – „sitz“ – „platz“ etc.
Therapie mit Hund: Selbstaktivität

Therapie mit Hund: Selbstaktivität

Dies schult das Gedächtnis. Außerdem lernt der Klient im Spiel mit dem Hund, dass für jedes Miteinander Regeln gelten um das gemeinsame Erleben für alle zur angenehmen Erfahrung werden zu lassen.

Werden die Regeln nicht eingehalten, hat dies die Konsequenz, dass die Gemeinsamkeit, hier dass das gemeinsame Spiel nicht mehr möglich ist. Durch das Miteinander im Spiel baut sich automatisch ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Tier/Spielpartner auf. Das gilt auch für Situationen in denen der Hund zufällig präsent ist. Erscheint der Hund z. B. im Therapieraum, in dem gerade Rollbrett gefahren wird, wird er viel achtsamer umfahren als jedes gegenständliche Hindernis.

Die Klienten lernen auch, sich auf den Hund als Spielpartner mit eigenen Bedürfnissen einzustellen (Hund geht weg). Auch können sie dem Hund gegenüber ihre Bedürfnisse ausdrücken, die vom Hund akzeptiert werden müssen (zum Beispiel: der Klient hat keine Lust mehr).

So können eigene Grenzen ebenso wie die des Hundes erfahrbar werden, sowohl im emotionalen wie auch im Körperwahrnehmungsbereich. (z. B. passt der Hund durch den Tunnel hindurch? passt das Kind hindurch?). Wenn sich der Hund zurückzieht, zeigt er sein Ruhebedürfnis, das muss der Klient akzeptieren. Er lernt dadurch auch, auf sein eigenes Ruhebedürfnis zu achten und es auszudrücken. So wird über den Hund Erlernen von kooperativem Verhalten angebahnt. Gezielte Förderung einzelner Sinnesbereiche wird für den Tastsinn möglich durch bewusstes Streicheln der Ohren – weich, des Rücken – rauher, der Füße und Krallen – sehr rauh/hart, des Bauches – weich, der Nase – nass und kalt. Der Muskelsinn, wird durch Druck und Zug verbessert, etwa durch Zerrspiele am Seil. Sie bereiten besonders Kindern große Freude. Dabei nicht umzufallen beübt das Gleichgewicht.

Am Beispiel wird deutlich, dass nicht alle Ebenen, die in der Therapie mit der Hündin möglich sind, auf einmal wirken: So möchte ich hier einen Jungen im Alter von 8 Jahren als Beispiel anführen, der besonders durch seine Übermotorik, durch Gleichgewichtproblematik und durch seine mangelnde Regelakzeptanz und Kooperationsbereitschaft im psychischen Bereich auffiel.

Er spielte am liebsten das, was er selber vorgab und dirigierte gegebenenfalls auch andere. In der Arbeit mit der Hündin gefiel ihm die Möglichkeit, Kea herumkommandieren zu können besonders. Kea führte aber nur aus, was er wünschte, wenn er sich seinerseits an die Kea bekannten Regeln und Kommandos hielt. So war die Erfahrung im Spiel mit Kea, sei es, sie durch gebaute Tunnels zu schicken oder Zerren am Seil zu spielen, für den Jungen ein hoher Anspruch an Kooperationsbereitschaft, er wurde gefordert sich auf die Hündin einzustellen, musste Kommandos erlernen, sie sich merken und passend umsetzen, ohne in Hektik und Ungeduld zu geraten. Kea legt ansonsten fragend die Ohren nach hinten und verlässt gegebenenfalls wedelnd den Schauplatz, um sich bei mir nach klareren Anweisungen zu erkundigen oder einfach aus dem Zimmer zu gehen.

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